Papier ist ein Material, das alle Künstler nutzen. Sei es lediglich für Entwurfsskizzen, sei es als Träger für eigenständige Arbeiten. Für Zeichnungen, Drucke, Aquarelle ist Papier unerläßlich. Selbst plastische Arbeiten lassen sich mit dem Medium Papier gestalten.

Nun handarbeite ich gerne, wie man am Wollpertinger gut sehen kann. So fiel mir 2015 die Idee zu, es bei der Handarbeit einmal mit dem Medium Papier zu versuchen.

Als dünnes und auch allgegenwärtiges Papier bot sich die Zeitung an. Dabei gab es einiges zu lernen. Beim Reißen ergibt sich in die eine Richtung ein wunderbar gerader Streifen, in die andere nur kurze Fetzen, die nicht zu verarbeiten sind. OK, also nur eine Richtung möglich. Weiter stellte sich das Problem, wie man aus vielen Streifen einen langen Faden herstellt. Die Streifen mit Klebstoff verbinden wollte ich nicht, da sich an den Klebestellen das Papier verändert hätte. Mit etlichen Experimenten fand ich heraus, dass feuchtes Papier sich auf einander gelegt recht gut verbindet. Außerdem läßt es sich in diesem Zustand gut verdrillen, so dass so etwas wie ein Faden entsteht. Viele Versuche waren erforderlich bis ich Erfahrung hatte, welche Zeitung sich eignet, wie breit die Steifen sein sollten und wie feucht sie sich verarbeiten lassen. Anschließend ließ ich den Faden trocknen und wickelte ihn zu einem Knäuel.

Nun ging es ans Stricken. Dies war ein sehr mühsames Geschäft. Der Papierfaden ist recht widerspenstig und die normale, europäische Strickweise funktionierte überhaupt nicht. Und wenn ich Pech hatte, riß der Faden an kritischen Stellen, u.U. auch noch nachträglich im Gestrickten. Ich verfiel auf die Idee, bei der Papierverarbeitung eine Nähseide mitlaufen zu lassen, so dass sich nicht jeder Papierriss zu einer Katastrophe auswuchs.

Ich liebe die einfache, archaische Form eines Bootes - eines Einbaumes. Und diese wollte ich gestalten. Die Form eines Bootes zu stricken war nicht das Problem, wohl aber die laufende Herstellung des Fadens und dessen mühevolle Verarbeitung. Zum Glück hatten wir einen heißen Sommer und die Sonne trocknete das nasse Papier rasch. Als das Papiergewebe fertig war, musste es in eine stabile Form gebracht werden. Aber wie?

Wie so oft half ein Spaziergang im Baumarkt. Mit sehr dünnen Messingröhrchen kam ich zurück. Diese ummantelte ich mit Papier und verband sie mit Fäden. Anschließend nähte ich - mit Papierfaden - das Gestickte an der Metallkonstruktion fest. Fehlstellen im Gewebe und die kritischen Anfangs- und Endstellen der Befestigung wurden nun doch verklebt.

Nun hatte ich ein Boot. Und einen Widerspruch in sich. Eine Bootshaut, die aus lauter Löchern besteht und ein Material, das sich im Wasser auflöst. Das Boot weckt Hoffnung, ist aber nicht tragfähig und dem Untergang geweiht. Die Assoziation liegt nahe:


Mare Nostrum